Race across Burgenland – Meine persönlichen Eindrücke

Wo fange ich am besten an? Vielleicht an der Stelle, wo ich gar nicht sicher war, ob ich an den Start gehen soll. Immer wieder hatte ich im Training meine Ferse gespürt, ich war in den Wochen vor dem Rennen müde, hab meine Trainingseinheiten durch Schlafeinheiten am Nachmittag ersetzt. Der Kopf, der bei diesem Rennen besonders gefordert war, wollte auch immer wieder nur die Augen schließen und schlafen. Ich hab meinem Körper das gegeben, wonach er verlangte…..vielleicht war gerade das der Grund für mein bisher erfolgreichstes Rennen. Ich hab auch Laufeinheiten in der Nacht eingelegt, um meinen Schlafrythmus zu unterbrechen. Und dann ging es los……

Freitag, 27.08.10, 15 Uhr: Mein Laufkollege Erich und seine Frau Sabine holen mich ab und gemeinsam fahren wir nach Kittsee zur Startnummernausgabe, Läuferbesprechung , gemeinsames Essen etc. Drei Teilnehmer haben den Start abgesagt, so bleiben acht Männer und zwei Frauen, Karin und Sigrid die sich dieses Jahr dem härtesten Ultralauf Österreichs stellen. 218 km von Kittsee, der nördlichsten Gemeinde, bis Kalch, der südlichsten Gemeinde des Burgenlandes, und 1.500 HM gilt es zu bewältigen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon, dass meine Powersister Angie ihren Dienst doch noch tauschen konnte, und mich den ganzen Lauf lang begleiten wird. Juchuhhhhhh…..große Freude 🙂  Mein Team war nicht nur komplett, sonder auch PERFEKT!!!!!  Herbert, Manu und Angie kamen Samstag mittag und Sabine betreute Erich und mich bis dahin alleine……und das ebenfalls PERFEKT!!!!

Samstag, 28.08.10:  4 Uhr morgens aufstehen – das ging ohne Wecker – ich war nicht müde (obwohl ich nicht viel geschlafen hab) – da dachte ich mir schon…..das wird ein guter Tag 🙂  5 Uhr Frühstück, 6 Uhr Start. Es regnet ein wenig, hört aber schnell auf. Erich, Daniel, Sigrid und Karin Ich laufe mit Erich, Karin und Daniel gemeinsam bis Eisenstadt – km 57.   Die Temperaturen sind optimal, allerdings sehr viel unangenehmer Gegenwind…..trotzdem geht es mir blendend. Meine Leiste, meine Ferse….nichts zu spüren 🙂

1. Checkpoint Eisenstadt: Wir sind „zu früh“ da…..eine halbe Stunde früher als geplant. Erich spürt sein Knie und wir beschließen, das Tempo etwas zu reduzieren. Bei km 65 dann eine Schrecksekunde und mein einziger mentaler Einbruch in diesem Rennen. Als unser restliches Betreuerteam mit Lichthupe auf der Bildfläche erscheint, freu ich mich so sehr, dass ich einen Augenblick unaufmerksam bin und am Strassenrand überknöchel und der Länge nach am Asphalt lande. Ich hab mir dabei die Hände aufgeschlagen und das Knie so verdreht, dass es beim Anlaufen ganz schön schmerzt. Aus meinem Rythmus rausgerissen und leicht verzweifelt, ob die Schmerzen sich legen werden oder nicht, muss ich mich aus diesem kleinen Absturz so schnell als möglich wieder rausziehen. Das gelingt mir fabelhaft und relativ schnell bin ich wieder im Rythmus drinnen und lauf weiter wie ein Uhrwerk. Nach 75 km dann der erste Anstieg. Erich läuft die erste Hälfte, ich gehe in flottem Tempo – kurze Labung, dann gehen wir beide flott die zweite Berghälfte. Sieggrabner Berg

2. Checkpoint Oberpullendorf: Km 104 – wir sind sehr gut unterwegs und lassen uns Zeit. Essen, trinken, trockene Kleidung für die Nacht anziehen. Und auf gehts wieder……wie ein schweizer Uhrwerk 🙂  2. Checkpoint passiert bei km 108 haben wir uns dann verlaufen…..Gott sei Dank nur 350 m, und es bleibt der einzige Umweg 🙂  es steigt nun wieder langsam und wir haben noch 14 km bis zum großen Anstieg. Weißenbach – km 123 – jetzt kommt der „Berg“, den wir wieder in flottem Gehschritt bewältigen. Erich hat zunehmend Beschwerden und ich mach mir Sorgen um ihn…..nicht einmal ein Drittel liegt hinter uns. In Unterkohlstätten laben wir uns – Erich kämpft mit sich – Vernunft gegen Sportlerherz. Von nun an gehts bergab. Für seine Beschwerden auch nicht einfacher. Angie läuft mit uns und absolviert ihre Trainingseinheit. Ich bin froh, dass ich nicht alleine bin. Es ist alles andere als sternenklar und die Strecke führt durch den Wald. Ich lauf wie aufgezogen. 21 Uhr – plötzlich steht Wolfgang (ein Freund von Angie) bei unserem Team und beschließt uns zu begleiten. Das war natürlich super….ein Auto mehr, und Manu und Angie konnten nun abwechselnd ein bisschen schlafen. Km 147 – bei Erich setzt sich die Vernunft durch und er erlöst seine Beine von den Schmerzen. Da wir nun mit Wolfgang einen Betreuer und ein Auto mehr haben, können Sabine und Erich nach Hause fahren. Ich drück meinen Helden noch einmal zum Abschied und sag ihm er soll stolz auf seine 147 km sein und nicht an den Abbruch denken. Hat er doch erst im Mai seinen ersten 6stundenlauf und im Juni seinen ersten 12stundenlauf absolviert. HUT AB!!!!! GRATULIERE ERICH!!!!! Nun bin ich alleine auf der Strecke und gleich eine unangenehme Situation in der Dunkelheit der Nacht. Weit und breit kein Haus und dann dieser Kleinbus voll mit Männern, die mich durchs offene Fenster anquatschen. Ich beschleunige meinen Schritt, in der Hoffnung, dass mein Betreuerauto bald zu sehen ist. Ich hab nicht einmal ein Handy eingesteckt….. Als ich meine Leute erreiche, stelle ich mit Erleichterung fest, dass sich Herbert gerade bereit zum Mitlaufen macht. Mir fällt ein Stein vom Herzen und ich kann mich wieder aufs Laufen konzentrieren.

3. Checkpoint Kofidisch: Km 155 – mir geht es „unverschämt“ gut, anders kann ich es nicht beschreiben. Fühl mich zur Zeit grad so, als wäre ich erst 40 Kilometer gelaufen. Ich komme als 4. Teilnehmer beim Checkpoint durch und man sagt mir, der 3.-Plazierte ist nur 5 Minuten vor mir. Das hält mich nicht davon ab, mich erst einmal in Ruhe zu laben und ein bisschen zu quatschen 🙂 Frau eben…… aber ich bin so gut im Rennnen, ich brauch mich nicht hetzen. 3 Uhr 15 – ich hab 167 km hinter mir – mein bisheriger persönlicher 24stunden Rekord…..und das Ganze nach 21 h 15 min…..juchuhhh 🙂  Neuer 24stunden Rekord Weiter gehts nach Güssing und von da an wieder ein wenig bergauf nach Neustift. Ich lauf noch immer sehr locker. Km 185 – kurz vor Heiligenkreuz – neuer persönlicher 24stunden Rekord 🙂  Ich laufe und telefoniere mit Papa. Mittlerweilen hab ich auch meinen iPod aktiviert und lass mich von Rocky IV inspirieren. Herbert ist noch immer mit auf der Strecke und hat sich in den Kopf gesetzt bis Jennersdorf mitzulaufen. Es ist bereits hell, der Nebel zieht über die Felder und sorgt für unangenehme Feuchtigkeit, die mich immer wieder stoppen lässt um mir noch eine weitere Kleidungsschicht überzuziehen, damit ich nicht auskühle. Richtung Jennersdorf

4. Checkpoint Jennersdorf: Kurz vor Jennerdorf schwächelt mein Kreislauf, aber ich liege super im Rennen und kann mir bei der offiziellen Labestation Zeit lassen. Ich esse zwei Stück wunderbaren Zwetschkenkuchen von Sigrid Peischls Mama und bekomme von Petzi Jandrasitsch im Auftrag von Didi eine energiegeladene Bier-Cola-Wasser-Mischung. Nach einem ausgiebigen Tratscherl mach ich mich auf den Weg. Noch 18 km….nicht einmal ein Halbmarathon 🙂 Ich lauf ganz locker an….keine Probleme mit den Beinchen…..lediglich die Blasen werden immer heftiger. Aus dem linken Schuh kommt bereits Blut durch. Aber wie heißt es so schön: Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt 🙂 Angie rollt wieder mit dem Rad mit.  9 km vor dem Ziel 9 km vor dem Ziel schwächelt mein Kreislauf wieder und ich versuche es mit ein paar Schluck Red Bull. Bingo….langsam Schluck für Schluck bring ich den Kreislauf wieder auf Vordermann. Ein letzter Stieg von Doiber nach Neuhaus, dann gehts nur noch bergab. Angie zählt am Rad die Kilometer runter. Noch 1 Kilomter sagt sie……da steht plötzlich eine Tafel mit dem Hinweis „Kalch 3 km“. Das gefällt mir gar nicht, ändert aber nichts daran, dass ich diese 3000m auch noch hinter mich bringen muss. Und dann……DER Augenblick……die letzte Kurve……und da steht sie. Die Ortstafel KALCH 🙂 🙂

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Ich kann euch in Worten nicht beschreiben, was zu diesem Zeitpunkt in mir vorgagangen ist. ALLES und NICHTS. Unglaublich….. als schnellste Dame landete ich auf dem 3. Gesamtplatz und schaffte mit 28 h 41 min neuen Streckenrekord der Damen. 1 Stunde und 1 Minute unter der alten Bestmarke…..wow, das hätte ich auch nicht zu träumen gewagt.  Freilich waren es meine Beine die gelaufen sind und mein Kopf, der einfach super funktioniert hat. Ich war zu keinem Zeitpunkt müde, weder körperlich noch geistig, ich hatte einfach DEN Tag erwischt, an dem ALLES stimmte. Für mich war es einfach wichtig, einmal MEINEN Bedürfnissen zu folgen und mich nicht in ein taktisches Korsett pressen zu lassen. Aber all das ist nur ein Teil des Erfolges. So ein Unternehmen funktioniert nur, wenn man ein perfektes Betreuerteam hat……und MEINES war MEHR als PERFEKT!!!!  DANKE, DANKE, DANKE an Herbert und Manu, Angie und Wolfgang, Sabine und Erich!!!!!!!!!!! Es hat sich so angefühlt, als hättet ihr schon ewig zusammengearbeitet und die Betreuung von Athleten übernommen. DANKE auch an meinen Papa für die Arbeit mit den Einträgen auf meiner Homepage und DANKE an all meine Freunde, die mich von zu Hause aus wieder mit SMS und Anrufen unterstützt haben. Ich habe alle zeitgerecht bekommen! Abschließend kann ich nur sagen, das Rennen war für mich mehr als ein sportlicher Sieg. Ich hab wieder ganz viel für mein Leben lernen dürfen 🙂 59488_148342931863596_100000636690986_290861_1419136_n und total liebe, neue Freunde kennen gelernt.